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Schiitische Achse: Hisbollah unterstützt pro-iranische Milizen im Irak

Abu Mahdi el-Muhandis, der stellvertretende Oberkommandierende der schiitischen „Volksmobilmachung“ im Irak, hat in einem Interview am dritten Januar die Präsenz der pro-iranischen Schiiten-Miliz Hisbollah im Irak offiziell bestätigt.

(Foto: Twitter)
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Von Ali Özkök

Abu Mahdi el-Muhandis, der stellvertretende Oberkommandierende der schiitischen „Volksmobilmachung“ im Irak, hat in einem Interview am dritten Januar die Präsenz der pro-iranischen Schiiten-Miliz Hisbollah im Irak offiziell bestätigt. Die in die irakische Armee integrierte „Volksmobilmachung“ pflegt hervorragende Beziehungen zur schiitisch-islamistischen Hisbollah und Iran, das eine „Vorbildfunktion“ für Iraks Schiiten einnimmt, beteuerte el-Muhandis.

Im Interview mit dem Iran-nahen Fernsehsender al-Mayadeen erklärte Kommandeur el-Muhandis, dass die „Volksmobilmachung“, die auch unter ihrem arabischen Namen als el-Haschd Schaabi bekannt ist, „sehr gute Beziehungen zur Hisbollah pflegt“.

Diese Beziehungen berufen sich auf „das Wissen und einem Abkommen“ mit der irakischen Zentralregierung, die als konfessionell schiitisch orientiert gilt. El-Muhandis erklärte, der ehemalige und amtierende Premierminister Nuri el-Maliki, der wegen seiner sektiererischen Innenpolitik und seines autoritären Führungsstils im August 2014 seines Amtes enthoben wurde, und Haidar el-Abadi sind sich „bis auf das Detail“ über die guten Beziehungen zur Hisbollah bewusst.

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Der irakische Kommandeur el-Muhandis, dem selbst enge Beziehungen zur iranischen Revolutionsgarde nachgesagt wird, sagte, dass die el-Haschd Schaabi „umfassend profitierte“ von der Hisbollah-Unterstützung, die eine „zentrale“ und „sehr wichtige“ Rolle für die Kampfbereitschaft der „Volksmobilmachung“ spielte. El-Muhandis ging so weit, dass er die islamistische Hisbollah, wie der deutsche Verfassungsschutz die militante Organisation klassifiziert, als „Brüder“ beschrieb.

Diese entsandten eigenen Angaben nach Militärberater in den Irak. Diese halten sich im Irak seit Beginn der Kämpfe gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ auf. Gemeinsam mit Iran hilft die Hisbollah aus dem Libanon die irakische „Volksmobilmachung“ in Fragen „der Ausbildung, Planung, aber auch mit Waffen und Ausrüstung“. Der hochrangige irakische Kommandeur äußerte auch, dass sich der Beitrag der Hisbollah nicht nur auf eine beratende Funktion beschränkt. El-Muhandis sagte, die libanesische Schiiten-Miliz „hat Märtyrer [auf irakischen Schlachtfeldern]angeboten“.

Die Beziehungen zwischen al-Haschd Schaabi und Hisbollah lassen sich nicht nur auf einen gemeinsamen Feind reduzieren, der von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ verkörpert wird, bemerkte el-Muhandis. Vielmehr handele es sich um eine ideologische Verbindung, die die Organisationen durch ihre Beziehungen zum Iran miteinander vereint.

Verbindungen zwischen irakischen Schiiten-Milizen und Libanons Hisbollah reichen in die 1980er Jahre zurück

Der Iraker informierte, dass er sich persönlich „geehrt“ fühlt, ein „langjähriges“ Verhältnis mit dem Generalsekretär der Hisbollah Said Hassan Nasrallah zu unterhalten, den er den „Meister des Widerstands“ nannte. Außerdem zählte er zwei Gründer und Militärkommandeure der Hisbollah auf, Imad Mughniyeh und Mustafa Badreddin. Beide Persönlichkeiten nannte er „herausragende Märtyrer“.

Seine Beziehung zu den Kommandeuren der Hisbollah war „fest und operativ“, sagte el-Muhandis, erwähnend, dass die zwei Kommandeure in den 1980er Jahren in den Irak reisten, um eine „irakisch-schiitische dschahidistische Gruppe“ gegen den sunnitischen Machthaber Saddam Hussein zu trainieren. Ab 2003 bauten die Hisbollah-Vertreter „eine Mudschahidin-Truppe“ (Dschihadisten) im Irak auf.

Sie organisierten „Widerstandszellen gegen die US-Amerikaner“, sagte der stellvertretende militärische Leiter der inzwischen in die irakische Armee eingegliederten al-Haschd Schaabi. Diese Zeit habe der al-Haschd Schaabi zur militärischen Weiterentwicklung verholfen, da „ein großer Teil“ aus „Kadern kommt, die bereits die US-Amerikaner angriffen“, so el-Muhandis.

Auch el-Muhandis, der eigentlich Dschamal Dschaafer Muhammed Ali el-Ibrahim heißt, begann seine Aktivitäten in den 1980er Jahren, wo er seine Operationen mit der iranischen Revolutionsgarde und ihrem irakischen Stellvertreter, die Badr-Organisation, koordinierte, schrieb der libanesisch-jüdische Hisbollah-Experte David Daoud in einer Analyse.

Gemeinsam mit Badreddin war el-Muhandis Teil einer militanten Gruppe, die sich Dawa 17 nannte. Diese Terrororganisation war an Bombenangriffe gegen die US-amerikanische und französische Botschaft in Kuweit, auf den Flughafen von Kuweit, die Zentrale des US-Rüstungskonzerns Raytheon, eine Ölbohrinsel das staatlichen Ölkonzerns und eine Energiestation von Kuweit beteiligt. Die Gruppe tötete bei diesen Angriffen 86 Menschen. Die Dschihadisten-Gruppe rund um Badreddin und el-Muhandis wird mit dem versuchten Attentat auf den Emir von Kuweit verbündet.

Der irakisch-schiitische Kommandeur erinnerte, dass Badreddin und Mughniyeh nach 2003 in den Irak zurückkehrten, um irakisch-schiitische Milizen, seine Miliz einschließlich, gegen US-Kräfte „auszubilden, denen zu helfen und vorzubereiten“. Zu dieser Zeit agierte el-Muhandis als Anführer von Kataib Hisbollah, eine von Iran-finanzierte Schiiten-Organisation, die während der Zeit der US-Okkupation ab 2003 im Irak hunderte US-Soldaten tötete.

Die Hisbollah unterstützte die irakische Kataib Hisbollah beim Schmuggel von improvisierten Sprengsätzen in den Irak aus Iran und Libanon. Bekannt als projektilbildende Ladung, stellten diese Sprengsätze die Hauptursache für tote Soldaten auf US-amerikanischer Seite dar. Im Ergebnis entschied Washington im Juli 2009, el-Muhandis auf die Liste der Top-Terroristen zu setzen. Die USA beschrieben el-Muhandis als einen Berater von Qassim Soleimani. Soleimani ist der leitende Kommandeur der al-Quds-Einheiten, eine Einheit der iranischen Revolutionsgarde für exterritoriale Operationen.

Teheran zieht mittels Revolutionsgarde Kriegergeneration auf

Der Kommandeur der „Volksmobilmachung“ sprach in seinem Interview überdies von den Beziehungen seiner Organisation zu anderen Staaten und Gruppen. Er betonte die Bedeutung der Islamischen Republik Iran, das eine Art Vorreiterstaat für viele arabische Schiiten darstellt.

Auf Anfrage von Eurasia News und NEX24 erklärte der Chefredakteur des Fachmagazins Araznews mit Fokus auf den Iran, Babak Shahed, wie sich Teheran, das seit Jahren wirtschaftlich gebeutelt ist, ein solch umfassende militärisches und politisches Engagement im Libanon, Syrien und Irak leisten kann:

„Nahezu die gesamten Erdöleinnahmen des Iran werden in den Irak und Syrien investiert. In der Islamischen Republik werden Kinder im Alter von sechs Jahren bereits für den Dienst bei den Revolutionswächtern ausgesucht. Nach einer jahrelangen ideologischen Indoktrination werden sie im Rahmen militärischer Ausbildung zu idealen Kampfeinheiten ausgebildet.“

Iran und die Hisbollah stellen „Eckpfeiler“ der Unterstützung für die al-Haschd Schaabi dar. Beide versorgen die irakische Schiiten-Miliz mit allen militärischen Notwendigkeiten, räumte er ein. Heute kauft die irakische Miliz Kriegsgüter mit Staatsgeldern aus Bagdad bei der libanesischen Hisbollah oder in Teheran ein. In der Vergangenheit erhielten pro-iranische Schiiten-Milizen jenen Waffenbedarf umsonst und mit „großer Großzügigkeit“.

Kooperation von pro-iranischen Milizen auch in Syrien erkennbar

Der Redakteur des Expertenportals mit Fokus auf Syrien, Suriye Gündemi, Ömer Özkizilcik machte daneben auf die enge Zusammenarbeit der libanesischen Hizbollah mit Schiiten-Milizen aus dem Irak wie Harakat al-Nudschab und den iranischen Revolutionswächtern in Syrien. NEX24 und Eurasia News gegenüber sagte er:

„Insbesondere in Süd-Aleppo, West-Qalamoun, Nord-Hama und Nord-Homs sind Hizbollah-Einheiten aktiv. Dort kooperieren sie in der Regel mit irakisch-schiitischen Milizen unter dem Kommando der iranischen Revolutionswächter gegen syrische Rebellenbrigaden, die sich gegen Baschar al-Assad stellen. Zusätzlich zu diesen Einheiten operieren auch afghanische und pakistanische Islamisten schiitischer Konfession, die vom Iran als Söldner angeheuert wurden, auf dem Schlachtfeld.“

Kommandeur al-Muhandis betonte, dass die „Volksmobilmachung“ weder Beziehungen zu den USA will, noch sie braucht. Nach Eurasia News-Angaben kooperiert die Miliz ungehindert solcher Beteuerungen am Boden ebenso mit Militärvertretern aus den Vereinigten Staaten wie aus dem Iran. Auch der Experte Ömer Özkizilcik merkte auf Anfrage an, dass die „Volksmobilmachung im Irak Waffen von den USA indirekt über die irakische Armee und auch direkt von den USA bekommt“. Außerdem legt er dar, dass selbst amerikanische Humwees von irakischen schiitischen Milizen in Syrien zum Einsatz kommen und sogar eines dieser von der al-Qaida-nahen Ex-al-Nusra-Front, heute als Dschabhat Fatah Scham bekannt, erbeutet wurde.

Obwohl die Beziehungen zur Türkei zuletzt angespannt waren, beteuerte der Schiiten-Kommandeur, dass die al-Haschd Schaabi friedliche Beziehungen nach Ankara pflegen wollen. Was im Kontrast zum tatsächlichen Verhältnis steht: Kämpfer und Kommandeure aus den Reihen der al-Haschd Schaabi drohten in der Vergangenheit, türkischen Soldaten, die Milizen im Kampf gegen die Terrororganisation IS ausbilden, aus politischen Erwägungen und Schachzügen mit Blick auf geopolitische Streitigkeiten in Nordirak „in den Kopf zu schießen“.

Außerdem unterhälte die „Volksmobilmachung“ eine offene Kommunikation zu den Russen. Er sagte, Russland stationierte eigens Geheimdienststellen und Vertreter des Verteidigungsministeriums in den Irak, um in Kontakt mit der „Volksmobilmachung“ zu stehen. El-Muhandis äußerte, dass sich der Vorsitzende der „Volksmobilmachung“ Falih al-Fayyad während seines Interviews auf dem Weg nach Russland machte, um über eine russische Bewaffnung der „Volksmobilmachung“ zu verhandeln.

Schiitische Kämpfer aus Irak unterstützen Huthis im Jemen

Der ehemaligen Kommandeur von Kataib Hisbollah dementierte in seinem Interviewgespräch, dass al-Haschd Schaabi-Kämpfer „offiziell“ im Jemen aktiv sind, um die zaiditischen Huthis gegen sunnitische Kräfte zu unterstützen. Auch die Huthis nannte er seine „Brüder“ und gab zu, dass es Iraker in der einen oder anderen Stellung“ im Jemen geben wird, die mit den Huthis kämpfen. Zwischen den politischen Strukturen der al-Haschd Schaabi und Ansarullah, wie sich die Huthis nennen, existieren politische Kontakte, so der irakische Kommandeur.

El-Muhandis befürwortet im Irak eine zweite Islamische Republik im Stile Irans

Wie die Hisbollah-Führung ist auch al-Muhandis davon überzeugt, dass eine schiitische Theokratie nach iranischem Modell auch im Irak etabliert werden sollte. Er betrachtet sich als ein Vertreter des obersten „Führers“ Irans Groß-Ayatollah Ali Chamenei. Seine Zukunftspläne für die „Volksmobilmachung“ ähneln denen der libanesischen Hisbollah, die angibt, dass sie sich nicht entwaffnen kann, weil Israel noch immer Süd-Libanon okkupieren möchte.

Aus dem Libanon zog sich die IDF im Mai 2000 zurück. Ähnlich argumentiert al-Muhandis mit Blick auf die al-Haschd Schaabi Präsenz „im Kampf gegen die Terrormiliz IS“. Er wies daraufhin, dass die „Volksmobilmachung“ auch dann nicht abgerüstet wird, wenn der IS vernichtet wurde, da die Gefahr bestünde dass der IS in einer anderen Form zurückkehrt. „Die Baath-Partei wandelte sich zur al-Qaida.

Wer weiß was danach kommt“, führte al-Muhandis an. Der Nahost-Experte Ömer Özkizilcik beäugt diese Aussage im Gespräch mit Eurasia News und NEX24 kritisch. Seiner Meinung handele es sich bei der Aussage von al-Muhandis lediglich um einen opportunen Vorwand für die Rechtfertigung der Existenz einer bewaffneten Schiiten-Organisation. Diese Entwicklung werde unweigerlich zu neuen Konfliktlinien zwischen der dominierten schiitischen Majorität im Irak und der ehemals einflussreichen, aber politisch und wirtschaftlich marginalisierten sunnitisch-arabischen Minderheit im Land führen.

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