Start Politik Ausland Abstimmung über Immunität Türkei: Terrorunterstützer können nun angeklagt werden

Abstimmung über Immunität
Türkei: Terrorunterstützer können nun angeklagt werden

Das türkische Parlament hat am Freitag mit der erforderlichen Mehrheit den Weg freigemacht zur Aufhebung der Immunität von bis zu 138 Abgeordneten. Die Neuregelung betrifft Parlamentarier aller Fraktionen, unter anderem unter Terrorverdacht stehende Abgeordnete der PKK-nahen HDP.

(Foto: AA)
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Ankara (nex) – Die türkische Große Nationalversammlung hat am Freitag den Weg freigemacht für eine strafgerichtliche Verfolgung von bis zu 138 Abgeordneten aus allen Fraktionen, gegen die Dossiers wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Gesetzesbestimmungen angefertigt und beim Parlamentspräsidium eingereicht worden sind.

Die erste Klausel der Gesetzesvorlage wurde im zweiten Wahlgang mit 373 Ja-Stimmen gegen 138 Gegenstimmen mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen, nachdem diese am Mittwoch in erster Lesung noch nicht zustande gekommen war. Die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) hatte jedoch am Donnerstag angekündigt, im zweiten Wahlgang die Vorlage unterstützen zu wollen.

Gemäß Art. 175 der türkischen Verfassung wären 367 Stimmen erforderlich gewesen, um ohne Referendum den Verfassungszusatz auf den Weg zu bringen, der eine temporäre Aufhebung der Immunität von Abgeordneten ermöglicht. Im weiteren Verlaufe des Tages soll noch über die zweite Klausel abgestimmt werden, daran anschließend noch einmal über beide zusammen.

Kommt auch hier die erforderliche Mehrheit zustande, kann das Gesetz Präsident Recep Tayyip Erdoğan zur Unterfertigung vorgelegt werden, die erforderlich ist, damit es in Kraft treten kann. Noch am Mittwoch hatten lediglich knapp 350 Abgeordnete der Vorlage zugestimmt. Bei einer Anzahl der Voten zwischen 330 und 366 hätte das Gesetz nur in Kraft treten können, wenn es zuvor durch Präsident Recep Tayyip Erdoğan dem Volk zum Referendum vorgelegt worden wäre.

Die CHP hatte bereits im Vorfeld der ersten Abstimmung angekündigt, der Vorlage zuzustimmen. Tatsächlich hat ein großer Teil der Abgeordneten jedoch am Mittwoch dagegen votiert. Offenbar haben jedoch Bedenken aufseiten des Parteivorstandes, in einem Referendum zu unterliegen oder in der Bevölkerung in die Nähe der PKK-nahen „Demokratischen Partei der Völker“ (HDP), die geschlossen gegen die Motion stimmte, gerückt zu werden, zu einer Kursänderung geführt. Von der Aufhebung der Immunität wären Dutzende Abgeordnete der HDP betroffen, denen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zur Last gelegt wird.

In Deutschland haben Politiker und Kommentatoren die auch von zahlreichen Abgeordneten der Opposition mitgetragene Neuregelung zur parlamentarischen Immunität in der Türkei kritisiert. Unter anderem erklärte Bundestagspräsident Norbert Lammert, diese sei Abschaffung der Immunität sei ein Zeichen zunehmender „autokratischer Ambitionen“ des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Vor zwei Monaten noch hatte sich Lammert einem Bericht des „Tagesspiegels“ zufolge mit Blick auf die Berichterstattung über das Verfahren gegen den Grünen-Politiker Volker Beck dafür ausgesprochen, die Immunität von Parlamentariern abzuschaffen.