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Verfassungsbeschwerde zur Transplantationsmedizin

Das Bundesverfassungsgericht muss sich mit dem deutschen Transplantationssystem befassen. Nach Ansicht des Kölner Staatsrechtlers Wolfram Höfling und des Greifswalder Gesundheitsrechtlers Heinrich Lang wird das System durch "verfassungswidrige Regeln", "illegitime Akteure" und "ein systemisches Rechtsschutzdefizit" bestimmt.

Foto: dts
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Karlsruhe (dts) – Das Bundesverfassungsgericht muss sich mit dem deutschen Transplantationssystem befassen. Zwei Juraprofessoren haben eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, wie die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrer Freitagsausgabe berichtet. Nach Ansicht des Kölner Staatsrechtlers Wolfram Höfling und des Greifswalder Gesundheitsrechtlers Heinrich Lang wird das System durch „verfassungswidrige Regeln“, „illegitime Akteure“ und „ein systemisches Rechtsschutzdefizit“ bestimmt, zitiert die SZ aus dem 55-seitigen Papier.

Hintergrund der Beschwerde sind Geschehnisse an einer Münchener Klinik, wo ein Arzt im August 2012 entschied, einer seit zehn Jahren auf eine Spenderniere wartenden Frau kein Organ mehr transplantieren zu wollen. Weil er eine E-Mail von deren Ehemann als „unverhohlene Drohung“ empfunden hatte, meldete der Arzt die Patientin als „nicht transplantabel (n.t.)“ an die Organ-Vermittlungsstelle Eurotransplant. Die Frau hatte damit keine Chance mehr auf eine Organzuteilung. Ihre Klage gegen das Klinikum wies das Verwaltungsgericht (VG) München jedoch im Juni 2014 ab. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ließ die Berufung nicht zu.

Die Gerichte hätten in „offensichtlicher Unkenntnis über die Verfahrensabläufe in der Transplantationsmedizin“ entschieden, beklagen Höfling und Lang in ihrer Beschwerde. „Man muss es so hart sagen: Das VG München hat überhaupt nicht gewusst, worüber es entscheidet.“ Ähnliches gelte für den Verwaltungsgerichtshof. Das Klinikum habe in eklatanter Weise gegen das Grundrecht der Frau auf Leben und körperliche Unversehrtheit verstoßen. Die Gerichte hätten sie dennoch schutzlos gelassen.

Die Bedeutung des Falls geht nach Ansicht der beiden Juraprofessoren weit über das Schicksal der einen Patientin hinaus. Dieses liefere nur „trauriges Anschauungsmaterial“ dafür, dass Transplantationspatienten den Entscheidungen von Ärzten und Bundesärztekammer (BÄK) ohne wirksamen Rechtsschutz ausgeliefert seien. Wenn sich Patienten zur Wehr setzen wollten, wüssten sie nicht einmal, an welche Gerichte sie sich wenden müssten. So habe das VG München allein „knapp 13 Monate seine eigene Zuständigkeit“ geprüft und sei dabei „mehrfach zwischen einer Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs und der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte hin und her“ geschwankt, schreiben Höfling und Lang. Noch dazu gebe es zunehmend Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des gesamten Systems, da die BÄK die Richtlinien für Transplantationen erstellt, obwohl sie nicht legitimiert sei, Entscheidungen über Lebenschancen zu treffen.

Die Verfassungsbeschwerde sei eine große Chance, sagt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, die die Klage der Patientin unterstützt hatte: „Zum ersten Mal in der deutschen Rechtsgeschichte können die Verfassungsrichter klarstellen, dass Schwerstkranke auf der Warteliste die vollen Bürgerrechte haben.“ Bei der Organverteilung gehe es schließlich um Leben und Tod, so Brysch. „Diese Fragen dürfen Ärzte nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg treffen.“