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AStA Duisburg gegen Meinungsfreiheit
Uni-Duisburg: AStA will Vortrag über armenischen Terroranschlag von 1895 verhindern

Ein vom „Verein Türkischer Studenten“ geplanter Vortrag mit dem Historiker Ali Söylemezoğlu an der Universität Duisburg hat den offenbar PKK-symphatisierenden AStA auf den Plan gerufen. Dieser beschuldigt den Referenten, „Genozidleugner“ zu sein. Das Thema des Vortrages sind jedoch nicht die Ereignisse von 1915.

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Duisburg (nex) – Aufregung an der Universität Duisburg um eine Vortragsveranstaltung: Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA), ein Organ der verfassten Studentenschaft, das – wenn auch regelmäßig bei extrem niedrigen Wahlbeteiligungen –direkt gewählt ist, forderte in einem Schreiben an das Rektorat, die Raumvergabe für eine Vortragsveranstaltung zurückzuziehen.

Der Vortrag wird vom „Verein Türkischer Studenten“ organisiert und soll vom Historiker und Volkswirt Şahin Ali Söylemezoğlu gehalten werden. Dieses am Ende vom Rektor abgelehnte Ansinnen wird vom AStA beschuldigt, der Historiker sei ein „Genozidleugner“ mit Blick auf die Ereignisse von 1915.

Offenbar versuchte man, die Veranstalter im Vorfeld auch durch das Anbringen von Aufklebern der verbotenen Terrororganisation PKK auf die Plakate einzuschüchtern.

(Foto: nex)
(Foto: nex)

Tatsächlich hatte sich Söylemezoğlu mehrfach in Arbeiten mit der komplexen Vorgeschichte und den Ereignissen während der Deportation armenischer Bevölkerungsteile im Osmanischen Reich befasst und war dabei zu Ergebnissen gelangt, die offenkundig nicht mit den ideologischen Bewertungsrichtlinien des AStA konform gehen.


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Allerdings sind die Ereignisse von 1915 gar nicht Gegenstand des geplanten Vortrages, sondern allenfalls ein Teilaspekt der Vorgeschichte der späteren Eskalation nationaler Spannungen im Osmanischen Reich kurz vor dessen Ende. Thema des Abends unter dem Titel „Terror in Istanbul: Der größte Terroranschlag im 19. Jahrhundert“ ist der Überfall armenischer Terroristen auf die Ottomanische Bank am 26. August 1896 in Istanbul.

Die Terroristen nahmen damals 150 Geiseln, staffierten das Gebäude mit insgesamt 600 Bomben aus und drohten mit deren Zündung, sollte ihrer Forderung nach Abspaltung von sechs Provinzen mit hohem armenischen Bevölkerungsanteil vom Osmanischen Reich nicht Folge geleistet werden.

Wie auch andere monarchisch regierte Vielvölkerstaaten in Europa stand das Osmanische Reich in der damaligen Zeit unter hohem politischem Druck, da nationalistische Bestrebungen vielerorts ausarteten und es unter anderem eine Reihe wechselseitiger Massaker und Terroranschläge zwischen armenischen und kurdischen Bevölkerungsteilen gab.


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Gleichzeitig versuchten europäische Kolonialmächte und das Russische Zarenreich, das Osmanische Reich zu destabilisieren, wobei insbesondere Russland darauf setzte, die dortigen armenischen Bevölkerungsteile als fünfte Kolonne für sich zu gewinnen.

Die Wirren des ausgehenden 19. Jahrhunderts eskalierten mit Fortdauer der Entwicklung hin zum Ersten Weltkrieg, als sich innerhalb der – in armenischen Kreisen anfangs mit Sympathie betrachteten – Bewegung der Jungtürken nationalistische Kräfte durchsetzten und die Komitees für Einheit und Fortschritt (İttihad ve Terakki Cemiyeti) Forderungen nach mehr Autonomie für die Volksgruppen im Osten Anatoliens ablehnten.

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Die militärischen Niederlagen des Osmanischen Reiches im Tripoliskrieg und im Ersten Balkankrieg 1912 und 1913 sowie das starke Ausmaß an Unterstützung für Russland innerhalb der armenischen Volksgruppe des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg verschärften die zunehmend negative Einstellung innerhalb der türkischen Eliten, aber auch innerhalb der Bevölkerung gegen die nationalen Minderheiten und damit auch gegen die Armenier.

Bereits im Vorfeld des Beschlusses zur Deportation im Jahr 1915, der die tragischen Ereignisse auslöste, derer am 24. April jedes Jahres gedacht wird, war es zu wechselseitigen Übergriffen, Terroranschlägen und Massakern gekommen, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Armenieraufstand in Van im April 1915 und durch Anhänger der armenisch-sozialistischen Huntschak-Partei, die durch Unruhen und die Provokation blutiger Racheaktionen Russland zum Eingreifen ermutigen wollten.


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Innenminister Talât Bey ordnete daraufhin erst die Verhaftung namhafter Angehöriger der armenischen Elite in Konstantinopel an. Diese wurden in weiterer Folge ausgeweitet und mit dem Deportationsgesetz vom Mai 1915 wurde die Grundlage für die Massenvertreibungen geschaffen, deren Hauptphase bis 1917 andauern sollte und die zum Tod von mehreren hunderttausend Menschen geführt haben soll.

Aus Sicht des AStA stellt jedoch der differenzierende und komplexe Ansatz Söylemezoğlus, der auch die Leiden türkischer Zivilisten unter den Aktionen armenischer Terrorgruppen nicht unerwähnt lässt, eine Form der „Genozidleugnung“ da.

Der AStA lade deshalb, so heißt es in einem Statement, dazu ein, vor Ort „den geplanten Vortrag kritisch zu begleiten“. Erfahrungsgemäß haben Aufrufe dieser Art nicht selten zur Folge, dass sich auch politisch radikale Kräfte dazu motiviert fühlen könnten, die unliebsamen Meinungsäußerungen gewaltsam zu unterbinden.